Vom 2. bis 5. September luden Verein für Socialpolitik und Walter-Eucken-Institut zur Jahrestagung „Digitale Wirtschaft“ nach Freiburg ein. Ein wiederkehrendes Thema waren Machtkonzentration und -missbrauch.

Ein Gastbeitrag von Oliver Richters

Bei der Diskussion „Data, Digital Markets and Competition“ vertrat Wirtschaftsminister Peter Altmaier die These, es sei bedenklich, wenn das Internet von wenigen Großkonzernen dominiert würde. Der Chefökonom von Google Hal Varian widersprach: Es gäbe keine bedrohliche Machtkonzentration, denn Apple, Microsoft, Amazon, Facebook und Google machten sich ja in allen Bereichen beständig Konkurrenz. Machtmissbrauch sei also nicht zu befürchten.

Dass dies nicht zwangsläufig gilt, daran erinnerte die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel im prominent besetzten Panel zu „70 Jahre Marktwirtschaft“: In der Finanzkrise gelang es den Banken, mit Verweis auf ihre Systemrelevanz gesellschaftliche Garantien zu erhalten. Hier wurde eine Machtposition zum eigenen Vorteil ausgenutzt. Ganz im Sinne Varians erläuterte Achim Wambach, Vorsitzender der Monopolkommission, dass die heutige Wettbewerbspolitik kaum mehr Größe und Einfluss der Unternehmen im Blick habe, sondern sich darauf konzentriere, Machtmissbrauch zu verhindern.

Walter Eucken (1891–1950), einer der Väter der „Freiburger Schule“ der Ordnungspolitik, vertrat noch eine gänzlich andere Sicht. In seinem Buch „Wirtschaftsmacht und Wirtschaftsordnung“ macht er deutlich, dass eine Politik, die sich erst gegen den Missbrauch wirtschaftlicher Macht wende, zum Scheitern verurteilt sei. Einmal etablierte Macht sei nicht wieder in den Griff zu bekommen, weshalb Wirtschaftspolitik bereits die Entstehung von Macht verhindern müsse. Demnach hätte die in der Diskussion vielgelobte Ordnungspolitik im Vorfeld der Krisen eklatant versagt, weil sie eine solche Machtkonzentration zugelassen hatte, dass Institute systemrelevant wurden. Beim Walter-Eucken-Institut scheint diese Perspektive seines Namensgebers jedoch keine Rolle mehr zu spielen: Sie wurde in der Diskussion nicht einmal angesprochen, obwohl Institutsleiter Lars P. Feld das Podium bereicherte.

In Anbetracht der anhaltenden Schwierigkeiten, Konzerne zum Einhalten von Gesetzen zu bewegen und systemische Risiken in den Griff zu bekommen, könnte der Vorschlag, die Größe und Vernetztheit von Konzernen zu begrenzen, ein wichtiger Anstoß der Ordnungspolitik für das 21. Jahrhundert sein – ganz im Sinne der Väter der sozialen Marktwirtschaft.

Oliver Richters ist Doktorand an der Universität Oldenburg und Mitglied des Vereins für Socialpolitik und des Netzwerks Plurale Ökonomik.

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