Am Donnerstagabend wurde ein Team der Göttinger Hochschulgruppe ‚Kritische Wirtschaftswissenschaften‘ mit dem Niedersächsischen Wissenschaftspreis ausgezeichnet. Die Studierenden Tabea Lakemann, Franziska Dorn, Felix Möller und Mathis Richtmann erhielten den Preis stellvertretend für die Gruppe für langjähriges Engagement und die Erweiterung der ökonomischen Lehre.
„Wir freuen uns sehr über die Verleihung des Preises. Es ist einerseits schlicht schön, wenn langes Engagement von offizieller Seite gewürdigt wird. Andererseits betrachten wir den Preis auch als Anerkennung und Bestätigung unserer Kritik an der aktuell einseitigen ökonomischen Lehre“, sagt Mathis Richtmann stellvertretend für die PreisträgerInnen. Die Hochschulgruppe als Teil des deutschlandweiten Netzwerks ‚Plurale Ökonomik‘ tritt für eine Erweiterung der Perspektiven und Methoden in der Volkswirtschaftslehre ein. Momentan herrscht eine theoretische und methodische Monokultur, mit der wesentliche Wirtschaftsfragen nicht zu klären sind. Die zentrale Forderung des Netzwerks und der kritischen WirtschaftswissenschaftlerInnen in Göttingen ist deshalb die Erweiterung der Lehre um Inhalte, die bislang ausgespart werden.
Das nun geehrte Team hatte unter anderem in Eigenregie Seminare zu Themen wie „Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit“ und eine Ringvorlesung zur „Heterodoxie in der VWL“ organisiert. „So ergänzen, ja erweitern wir die Lehre hier in Göttingen“, erklärt Preisträgerin Franziska Dorn. „Über die Jahre konnten wir unser Angebot an Inhalten abseits der Mainstream-Lehre immer weiter ausbauen“, so Dorn weiter. Dabei sprechen nicht nur theoretisch-methodische Überlegungen für eine stärkere Förderung der Pluralität in der Ökonomik, sondern auch das große Interesse an den Veranstaltungen der ‚Kritischen Wirtschaftswissenschaften‘ zeugt von der Relevanz derselben. Durchschnittlich 150 HörerInnen besuchten die Ringvorlesung im vergangenen Jahr wöchentlich. Zu Semesterbeginn erhielt die Gruppe weiter Zuwachs. „Die Studierenden an dieser Fakultät wünschen sich eine kritische Reflexion des Themas Ökonomik und der Lehre. Wir bieten diesen Raum für Austausch“, beschreibt Preisträger Mathis Richtmann die Situation.
Die Auszeichnung mit dem Niedersächsischen Wissenschaftspreis versteht die Gruppe als Bestätigung ihrer Aktivitäten und Positionen. „Offenkundig hat man erkannt, dass unsere Arbeit gerade in ökonomischen Krisenzeiten wichtig ist. Entsprechen sollte gehandelt werden: Vom Ministerium für Wissenschaft und Kultur, vom Universitätspräsidium und der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät“, erklärt Richtmann. „Wir blicken zurück auf eine sehr gute Zusammenarbeit mit den universitären Gremien – und dafür sind wir sehr dankbar“, ergänzt Franziska Dorn. „Wir wünschen uns jedoch gerade nach einer solchen Bestätigung, dass weitere Schritte folgen“, so die Preisträgerin. Maßnahmen könnten sein, bei der weiteren Besetzung von Professuren oder Juniorprofessuren stärker darauf zu achten, ob ein Neuzugang den Lehrkanon erweitern und stärker interaktive Lehrmethoden einsetzen möchte. Auch etwa die Anrechenbarkeit von Lehrveranstaltungen zu Fragen ökologisch-nachhaltiger Wirtschaft oder die Annahme von Abschlussarbeiten zu heterodoxen Themen sollten gefördert werden.
„Wir haben im Dialog mit den Institutionen der Universität, speziell auch innerhalb unserer Fakultät, sehr gute Erfahrungen gemacht. Darauf wollen wir weiter aufbauen und uns bzw. heterodoxe Perspektiven weiterhin aktiv einbringen“, merkt Richtmann noch an.
Das Preisgeld geht direkt an die Hochschulgruppe, die damit unter anderem ihr Engagement verstetigen möchte – in Form eines eingetragenen Vereins.