Aufgrund einer Falschdarstellung pluraler Positionen von Philip Plickert in der FAZ, welcher eine Debatte um eine vermeintliche Forderung nach einer Quote von heterodoxen Professuren an deutschen Hochschulen angeheizt hat, sehen wir uns als Netzwerk Plurale Ökonomik dazu angehalten, unsere Positionen zu verdeutlichen.
Wie bereits auf Twitter zeitnah nach Erscheinen des Artikels hier und hier kommuniziert, wurde in unserem offenen Brief von 2012 weder vom Netzwerk Plurale Ökonomik noch von Prof. Achim Truger eine politisch vorgegebene Quote von heterodoxen Professuren gefordert. In einer Stellungnahme für Herrn Plickerts Artikel haben wir explizit den Begriff Zielgröße verwendet.
Dabei betonten wir, dass wir weiterhin zu unserer Forderung nach der Zielgröße von 20% heterodoxen Ökonom*innen an deutschen Hochschulen stehen, jedoch die Art der Erreichung dieser Zielmarke offen gelassen hatten: Es gibt verschiedene Maßnahmen die zu einer Veränderung der Auswahlverfahren von Professor*innen führen würden. Beispielsweise fordern wir die Abkehr von Veröffentlichungen in den Top-Journals als primären Qualitätskriterium für gute Forschung. Diese sind jüngst erst wieder in die Kritik geraten.
Weitere Maßnahmen wie eine Quotenregelungen werden bei uns intern diskutiert. Allerdings haben wir bis heute explizit keine Form der Umsetzung ausformuliert und werden doch für eine vermeintlich politische vorgegebene Quote angegriffen. Durch diese Darstellung unserer Forderung wird uns ein “fundamentaler Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit” (Isabel Schnabel im Artikel) vorgeworfen.
Ganz im Gegenteil ist die Forderung nach mehr Pluralität vor allem eine Forderung für die Wissenschaftsfreiheit. Unsere Studie „EconPlus“, die 2016 gemeinsam mit der Universität Kassel durchgeführt wurde, zeigt, dass sogar die Mehrheit der Professor*innen unsere Ansicht teilt, dass die Lehre an deutschen Hochschulen pluraler werden sollte. Jedoch wird diese Bereitschaft zu einer pluraleren Lehre nicht entsprechend in der Lehrpraxis umgesetzt. Deswegen erwarten wir sowohl vom VfS, als dem größten Verein deutschsprachiger Ökonom*innen, als auch von den jeweiligen wirtschaftswissenschaftlichen Fachbereichen an den Hochschulen, umgehend wirksame Maßnahmen zu ergreifen.
Jedoch sehen wir keine ausreichende Selbstreflexion oder entsprechende Reformen. Im Gegenteil: Seit den 80er Jahren erleben wir eine “Depluralisierung” von ehemals plural besetzten Lehrstühlen, was die thematische, methodische und theoretische Einseitigkeit der wirtschaftswissenschaftlichen Lehre verschärft. Diese Entwicklungen halten weiterhin an und zeigen sich beispielsweise am Konflikt über die Verdrängung heterodoxer Ökonom*innen an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) in Berlin.
Um dem entgegenzuwirken und die Lehrstuhlbesetzung pluraler zu gestalten, arbeitet das Netzwerk über viele unserer Lokalgruppen mit Lehrstühlen an zahlreichen Hochschulen zusammen, um verschiedene Lehrveranstaltungen, wie Lesekreise und Ringvorlesungen, zu organisieren.
Des Weiteren gibt Philip Plickert unbeabsichtigt ein anschauliches Beispiel, warum unsere Forderungen nach kritischer Vielfalt so akut sind: Die Kritik an der geplanten Berufung Achim Trugers in den Sachverständigenrat (SVR) beschränkt sich allein auf seine fehlenden “Top-Veröffentlichungen” und auf seinen Ruf in der Wissenschaftscommunity, anstatt eine ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung mit der Vielfalt seiner wissenschaftlichen Arbeiten und seinen wirtschaftspolitischen Positionen zu führen.
Abschließend bleibt zu sagen, dass durch die Überspitzungen in Philip Plickerts Artikel eine notwendige Diskussion über die Erreichung von mehr Vielfalt in den Wirtschaftswissenschaften zwar wieder befeuert, aber eben leider auch unnötig verzerrt und polemisiert wurde. Gerne beteiligen wir uns auch zukünftig an fachlichen Debatten, die auf Grundlage unserer tatsächlichen Forderungen basieren. Daher wiederholen wir unsere Einladung an alle Beteiligten und Interessierten am 18./19. Januar nach Berlin zu kommen und mit uns einen konstruktiven Dialog zu führen.