Veranstaltungsbericht Summer Academy for Pluralist Economics
PLUSA 2024 - Rückblick
25 August - 01 September 2024 in Berlin
Bridging perspectives, building solutions - Overcome differences for EU climate action!
Das war das Leitmotto unter dem dieses Jahr vom 25. August bis 1. September unsere Plurale Sommerakademie stattgefunden hat. Dieses Mal mit neuem Format und in Berlin. Eine Gruppe von achtzehn internationalen Teilnehmenden setzten sich in unserem neu entwickelten pluralen Planspiel „Readyfor55: Climate policy on the way to climate neutrality” mit den politischen und ökonomischen Herausforderungen einer sozial-ökologischen Transformation auseinander.
Das Planspiel fand vor dem Hintergrund der wachsenden Bedrohungen durch den menschengemachten Klimawandel statt. In den vergangenen Jahren haben Extremwetterereignisse weltweit zugenommen, und der sechste Sachstandsbericht des IPCC warnt vor einer globalen Erwärmung von 1,5 bis 2 °C bereits in diesem Jahrhundert, falls die Emissionen nicht drastisch reduziert werden. Die Europäische Union strebt daher an, bis 2050 klimaneutral zu sein, mit einem Zwischenziel, bis 2030 die Emissionen um 55 % im Vergleich zu 1990 zu senken. Pluraland, das fiktive Land im Planspiel, steht als EU-Mitglied ebenfalls vor der Aufgabe, diese Ziele zu erreichen, was tiefgreifende strukturelle Veränderungen erfordert.
In den Verhandlungen nahmen die Teilnehmenden die Rollen verschiedener Interessengruppen ein, darunter die Regierung, Unternehmen, Gewerkschaften sowie feministische, ökologische und sozial gerechte NGOs. Die erarbeiteten Positionen basierten auf unterschiedlichen ökonomischen Denkschulen, was zu intensiven Diskussionen führte. Unterschiedliche Perspektiven von neoklassischer, post-keynesianischer, feministischer, ökologischer und marxistischer Ökonomik prägten die Verhandlungen. Jede Denkschule bot unterschiedliche Ansätze zur Gestaltung von Klimapolitik. Diese Vielfalt ermöglichte den Teilnehmenden ein tieferes Verständnis wirtschaftspolitischer Diskussionen und förderte das kritische Denken. Die gewonnenen Erkenntnisse halfen, die Verhandlungen im Planspiel fundiert zu führen. Ziel war es, ein ausgewogenes Maßnahmenpaket zur Dekarbonisierung zu entwickeln, das die Interessen aller Akteure berücksichtigt. Die Verhandlungen erforderten viel Diplomatie von den Teilnehmenden und führten zu spannenden Verhandlungsergebnissen und Kompromissen.
Sonntag, 25. August
Begrüßung, Kennenlernen, Filmabend und Diskussion
Der erste Tag begann mit einer herzlichen Begrüßung und einer Vorstellungsrunde, bei der sich die Teilnehmer*innen kennenlernen konnten. Die Atmosphäre war von Anfang an von einer offenen und motivierten Stimmung geprägt. Als Grundlage für die Diskussionen und den Lernerfolg der folgenden Woche hat die Gruppe ein Culture Agreement erstellt, welches die Wünsche der Teilnehmenden bezüglich der gemeinsamen Arbeitsweise festhielt. Des Weiteren haben wir einen Workshop zu unterschiedlichen Lerntypen durchgeführt, der die Teilnehmenden in die Lage versetzte, die Seminarwoche ihren Bedürfnissen entsprechend zu gestalten. Am Abend stand ein gemeinsamer Filmabend auf dem Programm, der sich mit aktuellen Klimafragen auseinandersetzte. Im Anschluss fand eine lebhafte Diskussion statt, in der die gezeigten Inhalte vertieft und persönliche Eindrücke sowie Meinungen ausgetauscht wurden.
Montag, 26. August
Medientraining
Der zweite Tag war einem intensiven Medientraining gewidmet, das von Kristin Langen vom Netzwerk Klimajournalismus geleitet wurde. Ziel des Trainings war es, den Teilnehmenden beizubringen, wie sie Pressemitteilungen erstellen, die für Medien interessant sind und veröffentlicht werden. Auf eine Erklärung der Anlässe und Umstände, bei denen eine Pressemitteilung sinnvoll ist, folgten interaktive Übungen zum Erstellen fesselnder und informativer Schlagzeilen und zur Erarbeitung einer klaren und überzeugenden Struktur für die Pressemitteilung. Darüber hinaus führte die Workshopleiterin ein Interview-Training durch, bei dem die Teilnehmenden sich mithilfe von Techniken zur überzeugenden Präsentation auf die Rollen als Interviewer*in sowie Befragte*r vorbereiten konnten.
Dienstag, 27. August
Krisengipfel
Am dritten Tag fand die erste Verhandlungsrunde statt: Auf dem Krisengipfel verhandelten die Interessengruppen die Gestaltung der Investitionsstrategie. Die Teilnehmenden erarbeiteten auf Grundlage ihrer ökonomischen Denkschule und erstellten mit Rückgriff auf das Medientraining Positionspapiere zur Finanzierung der Dekarbonisierung und zur sozialen Sicherheit, um die Auswirkungen des Strukturwandels zu adressieren. Mit großer Überzeugungskraft nahmen die Teilnehmenden ihre Rollen ein und debattierten einen von der Regierung vorgeschlagenen Gesetzesentwurf.
Mittwoch, 28. August
Gruppenarbeit, Netzwerk-Q&A, Vortrag über gewerkschaftliche Perspektiven auf die Energiepolitik
Am Mittwoch arbeiteten die Teilnehmenden in ihren Interessengruppen, um den vorangegangenen Krisengipfel nach- und den bevorstehenden Zukunftsgipfel vorzubereiten. Dazu erhielten sie weiterführende wissenschaftliche Materialien zu ihren Denkschulen und vertieften darauf basierend ihre Positionen und Maßnahmenvorschläge. Die Gruppen waren außerdem dazu angehalten, miteinander Vorverhandlungen zu führen – eine Aufgabe, der sie mit viel Elan nachkamen. Am Nachmittag fand ein Q&A über das Netzwerk Plurale Ökonomik – die Veranstalterin der Sommerakademie – statt, in dem die Teilnehmenden mehr über die theoretischen und praktischen Aspekte der ökologischen und sozialen Ökonomik erfuhren sowie dazu motiviert wurden, selbst über die Sommerakademie hinaus mit dem Netzwerk verbunden zu bleiben. Am Abend hielt Felix Fleckenstein als Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) einen Vortrag über die praktischen Herausforderungen in der Gewerkschaftsarbeit, insbesondere mit Fokus auf die deutsche und europäische Energiepolitik. Dieser Vortrag lieferte wichtige Impulse für die Ausgestaltung der Rollen des LabourAssembly, aber auch von PluraBusiness und der Regierung.
Donnerstag, 29. August
Besuch beim BMWK und Gruppenarbeit
Am Donnerstagmorgen besuchten die Teilnehmenden das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Dieser Besuch ermöglichte es ihnen, die realen Umstände und Herausforderungen der Klimapolitik aus erster Hand zu erfahren und ein besseres Verständnis für die staatlichen Relevanzen und politischen Prozesse zu entwickeln. In einem Vortrag erhielten sie detailliertes Wissen über die Aufgabenbereiche und Arbeitsweise des BMWK und die Synergien und Friktionen von Klima- und Wirtschaftspolitik. In der anschließenden Fragerunde stellten die Teilnehmenden zahlreiche konstruktiv-kritische Nachfragen und erlangten hilfreiche Informationen zu Karriereoptionen innerhalb des Ministeriums. Der Nachmittag war letzten Vorbereitungen für den bevorstehenden Zukunftsgipfel gewidmet.
Freitag, 30. August
Zukunftsgipfel und Alumni-Workshop
Der zweite Verhandlungstag stand unter dem Zeichen des Zukunftsgipfels. Mittlerweile tief im Thema, wurden Koalitionen geknüpt, Intrigen geplant und es gab sogar einen Regierungsrücktritt. Trotz hitziger Debatten versabschiedete die Versammlung doch eine Resolution, die eine Richtungsentscheidung für die Wirtschaft von Pluraland markieren sollte. Am Freitagabend fand dann der Alumni-Workshop statt. In diesem Workshop reflektierten die Teilnehmenden über verschiedene Möglichkeiten, sich in der Klimapolitik und in sozialen Transformationen zu engagieren. Alumni und Netzwerkmitglieder teilten ihre konkreten Erfahrungen aus der Arbeit in zivilgesellschaftlichen Organisationen, der Wissenschaft und der Parteipolitik. Sie erklärten ihre Motivation für die Wahl dieses spezifischen Tätigkeitsfeldes, die Herausforderungen, denen sie in ihrem Alltag begegnen, und für welche Persönlichkeitstypen diese Arbeit geeignet ist. Sie leiteten daraufhin Kleingruppendiskussionen an, in denen sich Teilnehmende über unterschiedliche Engagements austauschen und überlegen konnten, wie sie selbst aktiv werden möchten.
Samstag, 31. August
Feedback, Stadtführung und Abschlussabend
Nach Beendigung des Planspiels fand am Samstagvormittag eine Reflektionsrunde statt, bei der die Teilnehmenden durch vielzählige interaktive Methoden das Gelernte vertiefen konnten. Dabei hat die Gruppe gemeinsam eine Zusammenfassung der ökonomischen Denkschulen, ihre Verbindungen untereinander sowie ihre Positionen in der klimapolitischen Debatte erstellt. Daran anschließend fand eine Feedbackrunde zu der Sommerakademie insgesamt statt, deren Ergebnisse helfen werden, die nächste Wiederholung noch besser auf die Wünsche und Bedürfnisse der Teilnehmenden zuzuschneiden. Am Samstagnachmittag nahmen die Teilnehmenden an einer dekolonialen Stadtführung teil, die sich mit dem Schwarzen queeren Feminismus in Berlin beschäftigte. Diese Führung ermöglichte es ihnen, sich mit der oftmals versteckten Stadtgeschichte und den aktuellen Themen der feministischen Bewegung in Berlin auseinanderzusetzen. Für den Abschlussabend haben wir im Sinne weiterer Networking-Möglichkeiten alle in Berlin wohnenden Aktiven und Alumni des Netzwerkes für einen offenen Barabend eingeladen.
Die Teilnehmenden
Ein zentrales Ziel der Sommerakademie war es, jungen Menschen einen Raum für gegenseitige Inspiration und fruchtbaren Austausch zu bieten. Die Veranstaltung ermöglichte es den Teilnehmenden, wertvolle Kontakte zu knüpfen und von der Arbeit in einer internationalen Gruppe zu profitieren, welche sich aus Personen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen zusammensetzte: Die meisten kamen aus Deutschland, aber auch Teilnehmende aus Spanien, der Türkei und Indien bereicherten den Austausch mit ihren wertvollen Perspektiven auf wirtschafts- und klimapolitische Herausforderungen. Zudem wiesen die Teilnehmenden eine große Vielfalt an Studienrichtungen auf – die Mehrzahl studierte wirtschaftswissenschaftliche Disziplinen, jedoch waren auch angehende Naturwissenschaftler*innen und Ingenieur*innen anwesend, die mit ihrem Fachwissen die Diskussionen bereicherten.
Fazit und Ausblick
Das Planspiel „Readyfor55“ in Berlin war ein herausragender Erfolg. Es bot den Teilnehmenden umfassende Einblicke in die Klimapolitik und die Herausforderungen der Dekarbonisierung. Das Ziel der Woche war es, den Nachwuchskräften und jungen Talenten Orientierung und Anleitung zu bieten, wie sie ihre Begeisterung für die anstehenden Transformationen weiterverfolgen können. Durch praxisnahe Workshops, Vorträge und Simulationen konnten sie wertvolles Wissen sowie Erfahrungen sammeln und ihre Fähigkeiten im Umgang mit komplexen politischen und wirtschaftlichen Fragestellungen erweitern. Dabei lernten sie, ihren Standpunkt anderen Interessensgruppen gegenüber zu vertreten sowie Kompromisse einzugehen. Darüber hinaus half die Veranstaltung den Teilnehmenden, sich über mögliche Engagements in zukünftigen Jobs, Think-Tanks, Regierungsorganisationen, NGOs oder politischen Parteien klarzuwerden und ihre Karrierepläne entsprechend zu gestalten. Zusammenfassend hatten die Teilnehmenden Möglichkeiten, sich zu vernetzen, ihre wirtschaftspolitischen Ideen auszubilden und konkrete Vorschläge zur Erreichung der Klimaziele zu entwickeln.